Baustein zur nicht-rassistischen Bildungsarbeit
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C.10

Thema: Diskrimierung
ARBEITSPAPIER

C.10 Thema: Diskriminierung; Arbeitspapier

Diskriminierung

Alltägliche und institutionelle Diskriminierungen

Erfurter FUN Disko – Spaß nur für Deutsche? Drei Asylbewerbern aus Afrika wurde im Juli 2000 der Eintritt in die Erfurter Diskothek FUN in der Apoldaer Straße versagt. Zwei Mal wurden sie samstags am Eingang aufgehalten und mit der Aufforderung, sich eine Clubkarte zu besorgen, an den Chef der Diskothek verwiesen. An diesen Abenden wurden weitere BesucherInnen problemlos hineingelassen. Auch bundesweit werden Filialen der Diskothekenkette FUN für eine rassistische Einlassungspraxis kritisiert. (Info Flüchtlingsrat Thüringen e. V., 3 / 2000)

Der Beschwerdeausschuss des Deutschen Presserats hat in seiner Sitzung am 19. Februar 2002 die Offenbach-Post gerügt, weil sie in einer Meldung die Volksgruppe der Sinti und Roma diskriminiert hatte. Unter der Überschrift „Kinderhorde knackt Autos“ hatte die Zeitung im April vergangenen Jahres unter anderem geschrieben: „Wieder Roma-Ärger: Ein Polizist … ertappte gestern Mittag mehrere Sippen-Kinder“. (Pressemitteilung Deutscher Presserat, 20. 02. 2002)

Ist es denkbar, dass alle Deutschen beim Diskobesuch eine Clubkarte brauchen oder dass eine Lokalzeitung über „Deutschen-Ärger“ berichtet und die Festnahme „deutscher Sippen-Kinder“ meldet?

Diskriminierungen sind Alltagserscheinungen. Frauen werden diskriminiert, AusländerInnen oder „ausländisch aussehende“ Menschen, Behinderte, Homosexuelle, Kranke, Minderheiten. Diskriminierung findet öffentlich statt und privat, durch die Gesetzgeber, Polizei und Behörden, durch Chefs und UnternehmerInnen, aber auch durch KollegInnen. VermieterInnen diskriminieren, Diskotheken- und RestaurantbesitzerInnen, Versicherungen und Freiberufler; Werbung diskriminiert, die Medien, auch Radio und Fernsehen.

In Anlehnung an Rainer Nickel verstehen wir Diskriminierung wie folgt:

Diskriminierung ist die Ungleichbehandlung wegen der Herkunft, menschlicher Unterschiedlichkeit, des Geschlechts, der Hautfarbe, der Religion, der Behinderung oder aufgrund anderer wirklicher oder nur eingebildeter Merkmale, die Personen oder Gruppen zugeschrieben werden.

Direkte und indirekte Diskriminierung

Nicht jede Ungleichbehandlung ist eine Diskriminierung: Wenn Jugendlichen unter 14 Jahren der Zutritt in eine Diskothek verweigert wird oder jemand nicht TaxifahrerIn werden kann, weil er bzw. sie keinen Führerschein hat, so ist das völlig in Ordnung. Wenn aber bestimmten Leuten der Eintritt in die Disko oder ein Job verweigert wird, weil er oder sie keinen deutschen Pass hat, schwarz oder homosexuell ist, dann handelt es sich um direkte Diskriminierung.

Folgende Fälle von Ungleichbehandlung gelten als Diskriminierung und sind somit verboten: „Diskriminierungsverbot: Verbot der ohne sachlichen, von der Rechtsordnung gebilligten Grund vorgenommenen nachteiligen Ungleichbehandlung.“ (Meyers großes Taschenlexikon)

Auch eine formale Gleichbehandlung kann diskriminierend sein:

  1. wenn von deutschen und ausländischen BewerberInnen auf einen Arbeitsplatz „gleichermaßen“ fließendes Deutsch erwartet wird, auch wenn dies für die Stelle nicht erforderlich ist;
  2. wenn von Frauen und Männern „gleichermaßen“ ein ununterbrochener beruflicher Werdegang erwartet wird;
  3. wenn Christen und Muslimen in der Werkskantine „gleichermaßen“ Schweinefleisch angeboten wird.

Das Ergebnis dieser formalen Gleichbehandlung, die die unterschiedliche Situation der Betroffenen ausblendet, ist die Benachteiligung von Personen(gruppen) – ob gewollt oder ungewollt. Wir bezeichnen dies als „indirekte Diskriminierung“. Indirekte Diskriminierung vollzieht sich unauffälliger als direkte Diskriminierung und es ist für die Betroffenen viel schwieriger, sich dagegen zu wehren.

Recht und Gegenwehr

Gemäß Artikel 3 Absatz 3 des Grundgesetzes darf niemand »wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden«. In der Praxis waren Betroffene bislang trotzdem kaum gegen Diskriminierungen geschützt. Erst mit den EU-Antidiskriminierungsrichtlinien 2000/43/EG, 2000/78/EG, 2002/73/EG und 2004/113 EG, die in Deutschland mit dem im August 2006 in Kraft getretenen »Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz« (AGG) umgesetzt wurden, gibt es umfassendere Möglichkeiten im Arbeits- und Zivilrecht, gegen Diskriminierung vorzugehen.

Mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz werden nicht alle Formen der Benachteiligung abgeschafft. Beispielsweise bleiben alle rechtlichen Beschränkungen aufgrund einer ausländischen Staatsangehörigkeit bestehen. Hierzu gehören Einreisebestimmungen, Familiennachzug oder das Arbeitserlaubnisrecht etc, aber auch Sonderbestimmungen für ausländische Vereine. Wie umfassend Ungleichbehandlungen beim Zugang zu Waren und Dienstleistungen, staatlichen Leistungen und Beschäftigung durch das AGG abgebaut werden können, hängt nun von Umsetzung und Inanspruchnahme in der Praxis ab.

So oder so: Gesetze sind nicht alles. So lange niemand protestiert, wenn AusländerInnen nicht in die Disko gelassen werden und so lange die Abwertung von Sinti und Roma zum guten Ton gehört, sind wir von einer diskriminierungsfreien Gesellschaft weit entfernt. Wir brauchen sowohl gute Gesetze, damit Betroffene sich effektiv wehren können, als auch ein solidarisches, nicht-diskriminierendes Klima in Staat und Gesellschaft und nicht zuletzt in unseren Seminaren.

Übersicht
A
Idee, Hintergrund, Konzeption
B.1
Jetzt geht's los!
B.2
Erfahrungen
B.3
Gesellschaft begreifen
B.4
Tu was!
B.5
Wie die Zeit verging
B.6
Themenungebundene Methoden
C.1
Von Vor- und anderen Urteilen
C.2
Antisemitismus entgegentreten
C.3
Rassismus als gesell. Verhältnis
C.4
Rassismus und Sprache
C.5
Sicherheit und Gewalt
C.6
Rechte Bilderwelten
C.7
Nation und Nationalismus
C.8
Migration
C.9
Weltarbeit und Wirtschaftswelt
C.10
Diskriminierung
D
Literatur, Medien, Adressen
E
Register, Inhalt
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